3 Forderungen wurden von der ÖVP formuliert, die ein neuer Bundeskanzler ihrer Meinung nach zu erfüllen hat. Dies geschah bevor überhaupt feststand, wer neuer Bundesparteivorsitzernder der SPÖ und somit Regierungschef werden soll. Eine dieser Forderungen lautet, dass es eine Deckelung der Mindestsicherung geben müsse.

Dass die ÖVP von dieser Forderung keineswegs abweicht, ließ Reinhold Mitterlehner in den vergangenen zwei Wochen des Öfteren vernehmen. Ganz im Sinne des neuen Regierungsstils scheint man jedoch bemüht, diesen Konflikt nicht allzu sehr in die Öffentlichkeit zu tragen.

Wesentlich direktere und schärfere Töne schlägt hingegen Wiens ÖVP-Landesobmann Gernot Blümel an. An dem scheint der neue Koalitionsstil vollkommen vorbeigegangen zu sein. In einer OTS Aussendung vom 25. Mai wirft Blümel der Wiener Stadtregierung vor „die Stadt mit dieser Mindestsicherungspolitik gegen die Wand zu fahren“. Es fallen Begriffe wie „Sozialtourismus“ und „Schlaraffenland“ im Zusammenhang mit MindestsicherungsbezieherInnen. Er ersucht weiters, sich mit Tatsachen und Zahlen auseinanderzusetzen, dann würde man seiner Meinung nach feststellen, dass die Mindestsicherung viel zu hoch liege. Eine Deckelung der Mindestsicherung sei in seinen Augen unumgänglich.

Dann wollen wir uns einmal mit den Zahlen beschäftigen. Statistik Austria liegen noch keine vollständigen Daten für das Jahr 2015 vor, deswegen betrachten wir jene von 2014:

Foto MindestsicherungDie Gesamtausgaben lagen bei knapp über 673 Millionen Euro. Das entsprach ca. 0,8% des österreichischen Gesamtbudgets. Die ÖVP versucht ganz klar die Vorstellung zu verbreiten, dass MindestsicherungsbezieherInnen den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen, aufs Arbeiten pfeifen und sich stattdessen ein schönes Leben machen. Das ist lächerlich und entbehrt jeglicher Realität.

Lediglich 8,4% der MindestsicherungsbezieherInnen (das entspricht 15.400 Personen) haben 2014 die volle Höhe der Mindestsicherung bezogen und galten gleichzeitig als arbeitsfähig.

27,4% der MindestsicherungsbezieherInnen waren Kinder. Weiters gibt es eine Vielzahl von Personen, die nicht mehr arbeitsfähig ist (aufgrund von Pensionierung oder Krankheit). Die ÖVP vergisst auch immer wieder zu erwähnen, dass die wenigsten Personen die volle Höhe der Mindestsicherung beziehen, sondern die allermeisten lediglich eine Zuzahlung, etwa zu einem Erwerbseinkommen erhalten. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich folgende Zahl vor Augen führt: Die durchschnittliche Höhe der BMS die 2014 pro Person im Monat ausgezahlt wurde, lag bei 218€. Dieser Betrag liegt weit unter der möglichen Höchstauszahlung.

Auch wenn die vermeintliche Familienpartei von einer Deckelung der Mindestsicherung spricht, wird deutlich, dass hier üble Politik, vor allem auf dem Rücken von Kindern gemacht wird. Der ÖVP schwebt ein Betrag von 1.500€ bei der Deckelung vor, das entspricht jener Höchstauszahlung, die ein Paar mit einem Kind momentan erhalten könnte. Familien mit mehr als einem Kind hätten demnach mit Einbußen zu rechnen. Um den Wunsch nach einer Deckelung zu begründen, werden immer wieder Beispiele von Familien mit fünf Kindern oder mehr herangezogen um anschließend irgendwelche Geldbeträge durch die Gegend zu werfen.

Auch hier muss man den Kürzungsfantasien klar entgegentreten, wenn man nur einmal einen Blick auf die Zahlen wirft: Der Anteil an Bedarfsgemeinschaften, also Familien in der Mindestsicherung, die fünf oder mehr Kinder haben, liegt gerade einmal bei 0,9%.

Immer wieder argumentiert die ÖVP, dass der Abstand zwischen Mindestsicherung und Erwerbseinkommen zu niedrig sei. Anstatt sich jedoch für faire Löhne einzusetzen, tritt die Volkspartei stets auf jene Menschen hin, die gerade einmal das aller Notwendigste zum Leben bekommen – oftmals trifft es Kinder, alleinerziehende Personen oder PensionistInnen. Keinem Arbeitnehmer und keiner Arbeitnehmerin ist in irgendeiner Form geholfen, wenn Sozialleistungen gekürzt werden. Wie bereits erwähnt gelten über 90% der VollbezieherInnen nicht als arbeitsfähig. Die Argumentation durch eine Kürzung der BMS den Arbeitsanreiz zu erhöhen, ist demnach nicht nur lächerlich, sondern kommt einer Verhöhnung nahe.

Während der ÖVP-Landesobmann MindestsicherungsbezieherInnen als faul und arbeitsunwillig diskreditiert, stimmt seine Partei im Wiener Gemeinderat gegen konkrete Maßnahmen, die vor allem junge BezieherInnen der BMS unterstützen soll, wieder in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Konkret geht es um 200 Personen im Alter zwischen 18 und 24, für die die Stadt Wien ab Herbst Teilzeitarbeitsplätze schaffen will, um sie so wieder in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Wiener ÖVP hat letzte Woche einstimmig gegen diese wichtige Maßnahme gestimmt.

Die Mindestsicherung ist das letzte soziale Netz und darf unter keinen Umständen aufgemacht werden. Wer behauptet, dass MindestsicherungsbezieherInnen in einer sozialen Hängematte liegen, sollte sich vielleicht einmal mit den Tatsachen und Zahlen auseinandersetzen. Dies kann ich Gernot Blümel nur eindringlich empfehlen.

 

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