Jedes Kind hat ein Recht auf eine Familie, aber was bedeutet Familie in unserer heutigen Zeit? Familie kommt in allen Farben und Formen, sei es Mama und Papa, sei es der eigene Freundeskreis, sei es die Oma bei der man aufgewachsen ist oder auch einfach nur der oder die eigene LebenspartnerIn. Jedoch eines stimmt immer: Liebe und Geborgenheit sollten dabei im Zentrum stehen. Doch was passiert, wenn plötzlich der Ort der Geborgenheit ein Ablaufdatum hat? Was macht das mit einem Jugendlichen, wenn man ihm erklärt, dass er bis 18 das Recht auf eine Familie und Geborgenheit hat und ab 18 dann allein auf sich gestellt sein muss?

Viele ‚Care Leaver‘ müssen sich leider genau solch einer Situationen stellen. Bei diesen so genannten Care Leaver handelt es sich um jährlich ca. 250 junge Wienerinnen und Wiener, welche in Einrichtungen der Wiener Kinder- und Jugendhilfe aufgewachsen sind und mit ihrem 18. Geburtstag in die Selbstständigkeit entlassen werden.

Rückker zur eigenen Familie?

In aller Regel sind diese jungen WienerInnen schwer traumatisiert durch ihre Herkunftsfamilie, was sich nicht selten auch in psychischen Erkrankungen manifestiert. Die Erlebnisse reichen dabei von Verwahrlosung über Gewalt bis hin zu sexuellem Missbrauch. Diese Belastungen sorgen meist sowohl für einen Abbruch jeglicher Beziehungen zu ihrer Herkunftsfamilie als auch zu einem besonderen Betreuungsbedarf, um die aus den Erfahrungen entstandenen Entwicklungsmängel wieder auszugleichen. Erst durch unsere städtischen Wohngemeinschaften bekommen die misshandelten Jugendlichen ein sicheres Zuhause und eine professionelle Fürsorge. Dafür bietet unsere Stadt eine Vielzahl von tollen Angeboten mit hervorragenden MitarbeiterInnen.
Jedoch, mit dem 18. Geburtstag endet diese Betreuung für die meisten und sie müssen ihr Leben auf sich allein gestellt bestreiten. Im Gegensatz zu Jugendlichen aus intakten Familien haben sie also von einem Tag auf den anderen niemanden mehr, der sie unterstützt. Ihr ‚Recht auf Familie und Geborgenheit‘ verpufft.

Die Folgen sind verheerend: Viele Betroffene bleiben ihr Leben lang von staatlicher Unterstützung abhängig oder rutschen gar in die Kriminalität ab. Die Straffälligkeit dieser im Stich gelassenen Jugendlichen ist laut Studien zehnmal höher als bei allen anderen Menschen.

Das aktuelle Angebot reicht nicht

Zwar gibt es, um dieser besonders schwierigen Situation zu begegnen, von Seiten der Stadt Wien bereits jetzt einige Angebote. Wie z.B. bekommen alle, die in die Selbstständigkeit entlassen werden eine Gemeindewohnung vermittelt und ersparen sich damit die schwierige Wohnungssuche sowie hohe Mietpreise am privaten Markt.
Jedoch reicht das aktuelle Angebot noch nicht aus. Daher habe ich es mir zum Ziel gesetzt, den Übergang ins Erwachsenenleben für diese Jugendliche zu verbessern und somit dem Ablaufdatum auf Familie und Geborgenheit – zumindest zum Teil – ein Ende zu setzen: Gemeinsam in einer Arbeitsgruppe – mit VertreterInnen der Wiener Kinder- und Jugendhilfe, dem Fonds Soziales Wien, den Psychosozialen Diensten und MitarbeiterInnen von NGOs aus der täglichen Praxis – loten wir die Möglichkeiten für neue Angebote der zusätzlichen Unterstützung aus.

Damit die Jugendlichen auch nach der Volljährigkeit ein Wien vorfinden, dass sich um sie kümmert.

Erzählt bitte in eurem Bekannten- und Verwandtenkreis davon. Denn die sogenannten Care Leaver brauchen jede Unterstützung und die beginnt dabei, dass möglichst viele Menschen auf ihre Probleme aufmerksam gemacht werden.